Maria
Pablo Larraín, Deutschland, Italien, USA, 2024o
Paris 1977: Maria Callas ist die wohl grösste Sopranistin aller Zeiten. Doch schon seit Jahren ist die Primadonna assoluta nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Trotz unerschöpflicher Bemühungen ihrer Köchin und ihres ihr treu ergebenen Butlers ernährt sich die Diva fast ausschliesslich von Tabletten. Diese Stimmungsaufheller sorgen dafür, dass Maria Callas noch immer an ein unwahrscheinliches Comeback glaubt. Doch die Realität ist eine andere.
Der Mythos «der Callas» (1923-1977) ist nach wie vor ungebrochen, wie dieses inspirierte neue Biopic beweist, das Pablo Larraín, mittlerweile eine Spezialist dieses Genres, gedreht hat. Nach Jackie, einer Erinnerung an Jacqueline Kennedy mit Natalie Portman, und Spencer, einem Porträt von Lady Diana mit Kristen Stewart, übertrifft sich der Chilene nun selbst in Zusammenarbeit mit einer Angelina Jolie, von der man diesees Niveau nicht mehr erwartet hätte. Wie Fanny Ardant in Franco Zeffirellis Callas Forever (2002) verkörpert Jolie die Maria Callas der letzten Tage. Die seit zwölf Jahren zurückgezogene «Primadonna assoluta» lebt in ihrer Pariser Luxuswohnung mit zwei treuen Bediensteten, einem Butler und einer Köchin, die so gut wie möglich über ihren Antidepressiva-Konsum wachen. Die Diva mit den verschlissenen Stimmbändern glaubt noch immer an eine Rückkehr auf die Bühne (und gönnt sich den späteren Dirigenten Jeffrey Tate als Korrepetitor), während sie sich vorstellt, wie sie ihre Memoiren einem Journalisten anvertraut. Doch die Realität sieht anders aus... Der Filmemacher setzt das Drehbuch von Steven Knight mit verblüffender Gewandtheit in Szene und verwebt dabei Realität und Wahnvorstellungen, Gegenwart und Vergangenheit. Zu einer Einsamkeit und Unsicherheit, die durch den Reichtum kaum gelindert werden, gesellen sich hier die fatale Erinnerung an diese Kunst, die ihr entglitten ist, und die Last ihres unglaublichen Schicksals. Ein Schicksal, das aus einer jungen Griechin, die während der deutschen Besatzung missbraucht wurde, die gefeiertste Sopranistin der Welt machte, die von ihrem schwerreichen Landsmann Aristoteles Onassis erst umworben und dann verlassen wurde. Um mehr zu erfahren, kann man sich immer noch den ausgezeichneten Dokumentarfilm Maria by Callas (Tom Volf, 2017) ansehen. Aber um sich «von innen» dem zu nähern, was diese Frau war, kann man sich kaum etwas Besseres vorstellen.
Norbert Creutz