Love Lies Bleeding
Rose Glass, GB, USA, 2024o
In einer Provinzstadt des mittlernen Westens verstrickt sich die zurückgezogene Fitnessstudio-Managerin Lou in eine leidenschaftliche Affäre mit einer Bodybuilderin, die auf der Durchreise als Servierhilfe in einer Schiessanlage jobt. Als Lous Schwester von ihrem gewalttätigen Mann spitalreif geschlagen wird, sehen die beiden Frauen rot. Doch sie haben die Rechnung ohne Lous Vater gemacht, der die Stadt mit einem kriminellen Netz überzogen hat.
Der Krimiautor Raymond Chandler schrieb über eine Zeitschrift einmal, dass sie sich an Leute richte, deren Lippen sich beim Lesen bewegen. Ähnliches gilt für das US-Debüt der britischen Nachwuchs-Regisseurin Rose Glass: ein fadengerader Erotikthriller mit Bildern und Dialogen, hinter denen sich nichts versteckt, das nicht ausdrücklich gesagt oder gezeigt wird. Was man sieht: eine schroffe Working-Class-Version von Kristen Stewart, genannt Lou, die als lesbisches Girl für alles im Fitnessclub eines Midwest-Nests jobbt und sich in eine Bodybuilderin verguckt, deren Muskeln bei Wutausbrüchen knirschen. Die Kraftfrau will an einen Wettkampf in Las Vegas, hat sich aber gerade einen Job auf einer Schiessanlage erschlafen, ohne zu wissen, dass deren Besitzer Lous Vater ist – den diese als kriminellen Psychopathen bezeichnet. Was man ahnt: Die beiden hitzköpfigen Fraun handeln sich jede Menge Ärger ein, wenn sie sich Lous widerwärtigen Schwager vorknöpfen – denn der hat nicht nur seine Frau spitalreif geprügelt, sondern auch gute Dienste als Handlanger von Lous Vater geleistet. Was als Zugabe zu diesem holzschnittartigen Plot anfällt: tolle Aufnahmen der nächtlichen Stadt und ihres Gesindels, bodenständige lesbische Sexszenen, bei denen mehr suggeriert als gezeigt wird, zudem Ed Harris als White-Trash-Vater mit brandgefährlicher Aura wie aus einem Film von David Lynch. Überhaupt ist Lynch neben Tarantino das offensichtlichste Vorbild der Regisseurin und Co-Autorin. Erreicht wird das Vorbild zwar nicht, weil dessen genialische Verworrenheit fehlt, doch spannend, momentweise bizarr und hinreichend amoralisch ist dieser Thriller schon.
Andreas Furler