Reisender Krieger – Director's Cut
Christian Schocher, Schweiz, 1981o
Eine Woche im Leben eines Kosmetik-Vertreters, der Coiffeur- und Schönheitssalons abklappert, um sich nach getaner Arbeit die Feierabende um die Ohren zu schlagen. Seine Reise quer durch eine winterliche Schweiz grauer Vorstädte und Dörfer führt ihn über Geschäfte, Hotelzimmer und Spelunken zu Baustellen und Chilbis, über verschneite Berge und durch gespenstische Shoppingzonen zurück in die heimische Tiefgarage. Dabei trifft er auf Leute jeder Koloratur, palavert, streitet und schweigt mit ihnen und wird seinen stillen Begleiter, die Melancholie der Vereinzelung, doch niemals los.
Ein Solitär in der Geschichte des Schweizer Films ist dieses semidokumentarische Klimaprotokoll aus der Schweiz von 1980, in der die Eiszeit-Metaphorik gang und gäbe war, doch niemand sonst so schonungslos realistisch verzeichnete, wie dieses Land roch, während der Biedersinn und die Provinzialität der Nachkriegszeit im Trippelgang zum Individualismus und Hedonismus und zur damit einhergehenden Unbehaustheit der Gegenwart mutierte. Einen trüben Winter lang bereisten der Bündner Christian Schocher, sein Berner Kameramann Clemens Klopfenstein und ihre verschworene kleine Crew damals diese landesweite Grauzone auf den Fersen eines fiktiven Parfümiere-Vertreters und loteten mit Gespür, Geschick und einigem Glück die Stimmungslage zwischen latenter Depression und fröhlicher Verzweiflung in realen Coiffeursalons und Beizen, auf der Strasse und in den neuen Shoppingcentern aus. Das Resultat ist atmosphärisch so berückend und bei aller Bedrücktheit auch von so authentischer Bizarrerie und Komik, dass es bleibenden Wert hat, zumal der Director's Cut von 2007 das Original für einmal nicht auswalzt, sondern um eine Dreiveirtelstunde verkürzt und verdichtet.
Andreas FurlerDer einflussreichste Schweizer Film der Geschichte? Höhenfeuer? La salamandre von Alain Tanner? Irgendetwas von Godard? Gut möglich, dass es Reisender Krieger ist, diese Odyssee eines Parfümerievertreters durch die kalte Schweiz des Jahres 1979. Diese zeitlose Reise fasziniert immer wieder. Zahlreiche Filmschaffende, gestern und heute, haben sich davon inspirieren lassen. Denn diese Odysse, das merkt man bei jedem Wiedersehen, endet nie. (Auszug)
Matthias Lerf